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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 13 U 141/03
Rechtsgebiete: ZGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

ZGB § 33 Abs. 2
ZGB § 356
ZGB § 356 Abs. 2
ZGB § 357
ZGB § 399 Abs. 1
EGBGB Art. 235 § 1
ZPO § 531 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 U 141/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 17.12.2003

verkündet am 17.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19.11.2003 durch die Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.07.2003 verkündete Urteils des Landgerichts Cottbus (Az. 5 O 19/03) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Alleinerbe der am 27.06.1987 verstorbenen G... G..., die wiederum Alleinerbin des am 04.05.1986 verstorbenen G... O... war. Er nimmt die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesvermögensamt Cottbus, auf Wertersatz für die Erbschaft nach G... O... i.H.v. 22.281,36 € in Anspruch.

Am 1. Oktober 1986 erteilte das staatliche Notariat S... zum Az. 60-156-86 der Deutschen Demokratischen Republik, vertreten durch den Rat des Kreises S... , einen Erbschein als Alleinerbin nach G... O.... Der Nachlaß nach G... O... bestand nach Abzug der Verbindlichkeiten aus einem Geldbetrag i.H.v. 87.157,12 M/DDR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schlußrechnung des Nachlaßpflegers vom 1. Oktober 1986 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen. Im Oktober 1986 erfolgte sodann unter Einrechnung der aufgelaufenen Zinsen eine Überweisung i.H.v. insgesamt 90.097,12 M/DDR auf ein Treuhandkonto des Rates des Kreises S... mit der Nr. 2741-21-128062 Cod.Zahl.G. 807 bei der Staatsbank der DDR. Das Geld wurde - wie zwischen den Parteien erstinstanzlich unstreitig war - vom Staatsfiskus der DDR verbraucht. Am 13.11.2000 wurde der Erbschein des Staatlichen Notariats S... durch einen Beschluß des Amtsgerichts Cottbus (Az. 24 VI 429/98) für kraftlos erklärt und am 06.02.2001 unter demselben Aktenzeichen ein Erbschein zugunsten der G... G... erteilt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.524,29 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht Rechtsnachfolgerin der DDR sei und es keine gesetzliche Grundlage für die Übernahme derartiger Verbindlichkeiten durch die Bundesrepublik Deutschland gäbe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 45 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen das ihm am 01.08.2003 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger am 28.08.2003 Berufung eingelegt und sie mit dem am 17.09.2003 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom 16.09.2003 begründet.

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine Rechtsauffassung weiter, wonach ihm aufgrund der Übernahme des Vermögens der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 22 EinigungsV ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zustünde. Der Kläger rügt außerdem, daß das Landgericht verfahrensfehlerhaft den Verbleib des Geldes nicht weiter aufgeklärt habe.

Nachdem der Kläger zunächst auch in der Berufungsinstanz beantragt hat, die Beklagte zu einer Zahlung i.H.v. 22.524,29 € zu verurteilen, beantragt er nunmehr unter Klagerücknahme im übrigen,

die Beklagte in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Cottbus zu verurteilen, an ihn 22.281,36 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 22.281,36 €.

Zwar stand dem Kläger als tatsächlichem Erbeserben des G... O... gemäß § 399 Abs. 1 ZGB i.V.m. 33 Abs. 2 ZGB ein Anspruch auf Herausgabe des Nachlasses gegen den Nachlaßbesitzer, mithin den Staatsfiskus der DDR, bzw. auf Wertersatz nach Maßgabe der §§ 356, 357 ZGB zu (vgl. Kommentar zum ZGB der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz 1985, Anm. 2.2. zu § 399). Auch ein Anspruch gegen die Beklagte könnte sich nur aus diesen Regelungen des ZGB ergeben, da gemäß Art. 235 § 1 EGBGB für die erbrechtlichen Verhältnisse auch nach dem Beitritt das bisherige Recht maßgebend bleibt, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben ist. Die Rechtsnachfolge nach G... O... richtete sich vor dem Beitritt nach dem Recht der DDR, da bei deutschen Erblassern grundsätzlich die Teilrechtsordnung Anwendung fand, deren räumlichen Geltungsbereich der Erblasser durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt angehörte (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 62. Aufl., Art. 235 § 1 EGBGB RN 5).

Das Landgericht hat jedoch zu Recht festgestellt, daß es für eine Übernahme dieser Forderung durch die Beklagte keine Rechtsgrundlage gibt.

Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Rechtsnachfolgerin der DDR geworden (vgl. BVerfG, DÖV 1991, 603; BGH, NJW 1991, 2498, 2500; OLG Dresden, VIZ 2001, 575; KG, DtZ 1996, 149, 150; BrbOLG, OLG-NL 1994, 130, 132). Eine Gesamtrechtsnachfolge läge nur dann vor, wenn die Bundesrepublik Deutschland in alle Rechte und Pflichten der DDR eingetreten wäre. Der Einigungsvertrag sieht jedoch nur eine partielle gegenständliche Rechtsnachfolge für bestimmte Bereiche und keine Gesamtrechtsnachfolge vor (vgl. OLG Dresden, a.a.O. u. DtZ 1997, 291, 293 m.w.N.; BbgOLG a.a.O.). Die DDR ist mit dem Wirksamwerden des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland daher als Rechtssubjekt ersatzlos untergegangen.

Eine Übernahme der hier streitgegenständlichen Forderung läßt sich auch der speziellen Regelung zur Übernahme des Finanzvermögens durch den Bund und die Länder in Art. 22 Abs. 1 EinigungsV nicht entnehmen. Nach dieser Regelung unterliegt öffentliches Vermögen von Rechtsträgern in dem in Artikel 3 genannten Gebiet, das nicht unmittelbar bestimmten Aufgaben dient (Finanzvermögen), mit Wirksamwerden des Beitritts grundsätzlich der Treuhandverwaltung des Bundes und ist durch Bundesgesetz auf den Bund und die in Art. 1 genannten Länder aufzuteilen. Bis zu dieser gesetzlichen Regelung soll dieses Vermögen gemäß Art. 22 Abs. 2 EinigungsV von den bisher zuständigen Behörden verwaltet werden, soweit nicht der Bundesminister der Finanzen die Übernahme der Verwaltung durch Behörden der Bundesvermögensverwaltung anordnet.

In dieser Regelung zur Vermögensverwaltung und -aufteilung ist - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht gleichzeitig eine Regelung zur allgemeinen Übernahme von das Finanzvermögen betreffenden Verbindlichkeiten zu sehen. Zwar gehören nach der Rechtsprechung des BGH zum Vermögen i.S.d. Art. 21 EinigungsV sowohl Aktiva als auch Passiva (vgl. BGH, VIZ 1995, 358, 359 m.w.N.; VIZ 1995, 599, 600). Dies ist jedoch für den Regelungsbereich des Art. 21 EinigungsV durch den BGH ausdrücklich auf die Verbindlichkeiten beschränkt worden, die mit dem Aktivvermögen in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. BGH a.a.O.).

Dahinter steht der Rechtsgedanke, daß durch den Einigungsvertrag keine Vereinnahmung von Vermögenswerten ohne gleichzeitige Übernahme der ihnen sozusagen "anhaftenden" Verbindlichkeiten erfolgen sollte. Das Auseinanderreißen eines möglicherweise bestehenden Gegenseitigkeitsverhältnisses von Forderungen und Verbindlichkeiten sollte vermieden werden (vgl. OLG Rostock, OLG-NL 1994, 12, 14). In den Regelungen zur Übernahme des Sondervermögens Deutsche Reichsbahn und Deutsche Post heißt es dazu ausdrücklich, daß mit den Vermögensrechten gleichzeitig die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten und Forderungen übergehen (Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 S. 3 EinigungsV). Auch hier wird auf den Zusammenhang zwischen Vermögensrecht und Verbindlichkeit abgestellt.

Ein derartiger Zusammenhang liegt bei der Übernahme isolierter Verbindlichkeiten jedoch nicht vor. Hier besteht auch nicht die Gefahr, daß es zu einem Auseinanderfallen von Forderungen und Verbindlichkeiten kommt. Selbst wenn - entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu Art. 21 EinigungsV - davon auszugehen wäre, daß im Rahmen des Art. 22 EinigungsV zum übernommenen Vermögen ebenfalls Verbindlichkeiten gehören, so beschränkt sich dies auch hier auf Verbindlichkeiten, die mit dem übernommenen Aktivvermögen in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang stehen. Eine Übernahme isolierter Verbindlichkeiten auf der Grundlage der Regelung des Art. 22 EinigungsV würde dagegen letztlich einer Gesamtrechtsnachfolge durch die Bundesrepublik Deutschland gleichkommen, die jedoch - wie die differenzierten Regelungen des Einigungsvertrages zeigen - gerade nicht gewollt war und auch aus der Rechtsprechung des BGH zu Art. 21 EinigungsV nicht hergeleitet werden kann (a.A. Gruber, VIZ 2001, 528, 529). Daß eine solche Übernahme nicht gewollt war, ergibt sich auch aus der Denkschrift zum Einigungsvertrag, in der es in den Erläuterungen zu Art. 22 u.a. heißt: "...Das übrige Finanzvermögen soll nach Art. 22 Abs.1 je zur Hälfte dem Bund sowie den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin zugute kommen. Diese Aufteilung der Aktiva entspricht der Aufteilung der Passiva..." (Bt-Drs. 11/7760, S. 365). Die Vertragsparteien des Einigungsvertrages sind danach davon ausgegangen, daß die Regelung in Art. 22 EinigungsV sich grundsätzlich nur auf die Übernahme von Aktivvermögen bezieht.

Der durch den Kläger ererbte Zahlungsanspruch gemäß § 399 Abs. 1 ZGB i.V.m. § 33 Abs. 2, 356, 357 ZGB stellt keine Verbindlichkeit dar, die eng und unmittelbar mit gemäß Art. 22 EinigungsV übernommenem Aktivvermögen in Zusammenhang steht. Als Aktivvermögen, das gegebenenfalls in die Treuhandverwaltung des Bundes übergegangen ist, kommt hier lediglich der Kontobestand des Treuhandkontos des Rates des Kreises S... mit der Nr. 2741-21-128062 Cod.Zahl.G. 807 in Betracht. In diesem Kontobestand sind alle im Laufe des Bestehens dieses Kontos getätigten Überweisungen aufgegangen, ohne daß ihnen noch der Charakter eines eigenständigen Vermögenswertes zukommen würde (so auch OLG Dresden, a.a.O.). Als mit diesem Aktivvermögen zusammenhängende Verbindlichkeiten könnten daher allenfalls zum Beispiel etwaige Ansprüche der Bank aus dem Kontoführungsvertrag angesehen werden. Der Anspruch des Klägers bezog sich jedoch gemäß §356 Abs. 2 ZGB abstrakt auf Wertersatz i.H.v. 87.157,12 M/DDR zuzüglich Zinsen, da der eigentliche Nachlaß, bestehend aus beweglichen Gegenständen, einem Sparguthaben und Bargeld, nicht mehr vorhanden war, und damit gerade nicht konkret auf den auf das Treuhandkonto überwiesenen Betrag, bzw. die dadurch begründete Forderung des Staatsfiskus gegen die Staatsbank der DDR.

Gegen eine Einbeziehung von derartigen Rückforderungsansprüchen spricht auch die in Art. 22 Abs. 1 S. 3 EinigungsV vorgesehene Aufteilung des Finanzvermögens auf Bund und Länder. Eine solche Aufteilung wäre praktisch nicht möglich, wenn jeweils gesondert festgestellt werden müßte, aus welchen Überweisungsvorgängen sich der erhaltene Vermögensgesamtwert zusammensetzt, um nachvollziehen zu können, wer nach der Aufteilung für etwaige Rückforderungsansprüche haftet. Da sich dies angesichts der teilweise über einen Zeitraum von Jahrzehnten andauernden Kontobewegungen kaum nachvollziehen lassen wird, kann eine Übernahme von Rückforderungsansprüchen in bezug auf in dem Kontobestand aufgegangenen Überweisungen durch Art. 22 Abs. 1 EinigungsV nicht gewollt gewesen sein.

Da es sich bei der geltend gemachten Forderung nicht um eine Verbindlichkeit handelt, die dem gemäß Art. 22 EinigungsV übernommenen Vermögen anhaftet, ist unerheblich, daß der Gesetzgeber bisher von seiner Regelungsbefugnis gemäß Art. 135 a Abs. 2 GG zur Beschränkung der Erfüllung von Verbindlichkeiten, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR im Zusammenhang stehen, keinen Gebrauch gemacht hat.

Ferner kommt es auch nicht darauf an, welchen Bestand das Konto am 03.10.1990 aufwies, so daß die auf eine fehlende Aufklärung des Landgerichts gerichtete Rüge des Klägers ins Leere geht. Im übrigen bestand für eine weitere Aufklärung durch das Landgericht schon deshalb keine Veranlassung, da der Kläger selbst in seiner Klageschrift vorgetragen hatte, der eingezahlte Betrag sei durch den Staatsfiskus der DDR verbraucht worden. Diesen Sachverhalt hätte der Senat daher gemäß § 531 Abs. 1 ZPO auch seiner Entscheidung zugrunde legen müssen, wenn es darauf angekommen wäre.

Eine Rechtsnachfolge durch die Beklagte ergibt sich auch aus keiner anderen Rechtsgrundlage. Der Senat folgt diesbezüglich den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die in der Berufungsbegründung nicht angegriffen worden sind und auf die insoweit verwiesen wird.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob die Bundesrepublik Deutschland für privatrechtliche Wertersatzansprüche von Erben gegen den Staatsfiskus der DDR wegen unberechtigter Verwertung des Nachlasses haftet, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden und kann in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten, weswegen sie über den Einzelfall hinaus Bedeutung für die Allgemeinheit hat.

Streitwert: bis zu 25.000,- €

Ende der Entscheidung

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